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Zurück zu Kapitel II.

 

 

III. Nairobi - Im Dschungel der Großstadt

 

Lebensgefährliche Geiselnahme: Car-Jacking

Doch zurück zu den wahren Abenteuern, zurück nach Nairobi. Hier bietet sich das hektische Bild einer Millionenstadt, vor der man am Wochenende gerne upcountry flieht, zur Safari auf's Land. Oder man begibt sich nach britischen Vorbild in die Sport- oder Gesellschafts-Clubs - wenn man's mag.

Die kenianische Hauptstadt mit ihren etwa zweieinhalb Millionen Einwohnern gilt laut Kriminalstatistik als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Diese Einschätzung erfahren wir bereits bei der Vorbereitung der Ausreise. Die Bewältigung des Sicherheitsproblems in Ostafrika wird notwendigerweise unser ständiger Begleiter sein.

'Car-Jacking' heißt das Schlüsselwort, brutalste, oft tödlich verlaufende Überfälle auf die Insassen von Autos am helllichten Tage unter dem Einsatz von Schußwaffen, auch in belebten Vierteln Nairobis.

Die Beutestücke, vornehmlich teuere Autos mit Allradantrieb, vorwiegend neuerer Bauart. Sie werden über die grüne Grenze nach Tanzania verschoben.

Zu einer solchen lebensgefährlichen Begegung kam es für Vita und Valentin, eine deutsche Bekannte von uns und ihren neunjährigen Sohn. Sie wurden Opfer von Car-Jackern. Gegen zwölf Uhr mittags vor der deutschen Schule in Nairobi, hielt ein Gangster seinen Revolver an Vitas Schläfe, ein zweiter kaperte das Fahrzeug und bedrohte das neunjährige Kind. Mehr als eine Stunde lang mußte Vita den Wagen kreuz und quer durch Nairobi lenken, während im Fond des Fahrzeuges eine Waffe auf ihren Sohn gerichtet war.

Zweck dieser unerträglichen Geiselnahmen ist es, die scheinbar ausgeklügelten Diebstahlsicherungen der Autos zu umgehen, durch die die Motoren der geklauten Fahrzeuge erst mit Zeitverzögerung lahmgelegt werden.

 

Tipps für Autofahrer: Lassen Sie sich nicht aufhalten

Vor ernsteren Bedrohungen blieben unsere Gäste und wir in der Zeit unseres Aufenthaltes glücklicherweise verschont. Dazu mag beigetragen haben, dass man mit zunehmender Aufenthaltsdauer sich auch zunehmend selbstverständlicher und sicherer bewegt, als am Anfang. Das eigene Verhalten teilt sich der Umgebung damit auch zielbewußter und selbstbewußter mit.

Genau das ist übrigens auch ein Rat in den Sicherheitsempfehlungen der deutschen Botschaft zum Thema Autofahren in Kenia. In diesen Sicherheitsmaßgaben heißt es immerhin:

"Die bisherige Erfahrung zeigt, dass Überfälle oftmals auf Personen ausgeübt werden, die sich ängstlich im Straßenverkehr verhalten und bewegen.... Wenn Sie über Land fahren und Sie durch Personen aufgehalten werden, auch durch Uniformierte, lassen Sie sich nicht aufhalten und fahren Sie - wenn möglich - ohne Personenschadenrisiko durch..."

Mein aus diesen sicherheitsrelevanten Überlegungen heraus den kenianischen Verhältnissen verblüffend schnell angepaßtes Fahrverhalten, erschien jedoch bei unserer Rückkehr nach Europa eher nicht reintegrierbar. In Kenia jedoch, in völligem Gegensatz zu Deutschland, scheint sich allein durch die Art, wie man ein Fahrzeug steuert, mitteilen zu lassen, dass man stark ist, dass man schnell ist, und dass man sich einfach nichts gefallen läßt.

 

Matatu: Das letzte große Abenteuer Afrikas

Das Abenteuer Afrika scheint sich demnach heutzutage vornehmlich auf den Straßen der Großstädte abzuspielen. Selbst im Fernsehen weisen Werbespots auf die latente Gefahr hin, die bis heute nicht von wilden Tieren, sondern eher von wildgewordenen Matatu-Fahrern ausgeht. Matatu-Fahrer, diese Kapitäne am Steuerrad der buntbemalten Kleinbusse, die zum typischen Straßenbild Kenias gehören.

Es gibt sogar Leute, die behaupten, die Fahrt in einem Matatu gehöre zu den letzten großen Abenteuern dieses Kontinents. Ich behaupte, dieser Nervenkitzel läßt sich sogar noch erheblich steigern: Die ganz harten Jungs nämlich tragen dabei noch ihre Armbanduhr oder ihre Brieftasche bei sich - zumindest beim Einsteigen.

Einige unserer Gäste aber hatten tatsächlich den Wunsch, Afrika von dieser Seite kennenzulernen, so auch Marco, ein sympathischer Jura-Student aus Deutschland, der einige Zeit bei uns wohnte.

Zur Busbelegschaft gehören neben dem Fahrer in der Regel noch ein oder zwei "freie Mitarbeiter", von denen der eine die Aufgabe hat, das Fahrgeld zu kassieren, sich aber in der Hauptsache darauf konzentriert, durch tanzartige, halsbrecherische Bewegungen an der offenen Bustür - bei voller Fahrt, versteht sich - die insbesondere jüngere weibliche Kundschaft auf das Busunternehmen aufmerksam zu machen.

Der andere Mitarbeiter, nennen wir ihn mal "Platzanweiser", hat die vornehme Aufgabe, im Inneren des Busses darum zu bitten, in Stoßzeiten etwas enger zusammenzurücken. Auch der angehende Jurist Marco konnte dabei erleben, dass diese "Platzanweiser" ihrer Bitte mitunter dadurch Nachdruck verleihen, dass sie mit Eisenketten oder Gummipeitschen auf die Fahrgäste einprügeln. Marco ist übrigens nur einmal Matatu gefahren. Kurzstrecke.

 

Eine Busfahrt als tödliches Risiko

Die Busse selbst sind zusammengeschweißt aus mehreren mutmaßlichen Fahrzeugresten. Und sie erinnern mit ihrer bunten Bemalung und Beleuchtung oft an die Fahrgeschäfte auf unseren Rummelplätzen. Vielleicht kennen Sie ja diese blinkenden und schaukelnden Kabinen, die sich in rasender Geschwindigkeit um die eigene Achse drehen können und sich dabei auf einer rotierenden Scheibe befinden, die sich wiederum auf einer rotierenden Scheibe befindet usw. Wenn Sie sich die daraus resultierenden Bewegungsabläufe vorstellen können, dann wissen Sie auch ungefähr, wie es aussieht, wenn ein Matatu den Uhuru Highway entlangfährt.

Doch im Ernst, wöchentlich erscheinen Meldungen in den Tageszeitungen Nairobis über schwere Unfälle dieser Transportmittel mit häufig tödlichen Folgen für die Besatzung und für die Fahrgäste.

Interessant war die Meldung in einer Tageszeitung, des "Standard", nach der sich eine Vertretung der Matatu-Fahrer über die Höhe der Bußgelder beklagte, die sie bei Polizeikontrollen für abgefahrene Reifen zahlen mußten. Ihre Argumentation: Die hohen Zahlungen von Bußgeldern für abgefahrene Reifen gehe derartig ins Geld, dass man keines mehr für die Anschaffung von neuen Reifen habe. Insofern sei die Höhe der Bußgelder für abgefahrene Reifen die eigentliche Ursache für abgefahrene Reifen.

 

 

IV. Über das Glück vom trauten Heim

 

Mit John F. Kennedy auf Häusersuche

Nach diesem kleinen Schlenker in die Welt der tieffliegenden Bus-Piloten Kenias zurück zu unseren Alltags-Erfahrungen in Afrika.

Weil es drei Monate dauerte, bis unser Möbel-Container aus Deutschland per Schiff via Mombasa eintraf, haben wir zunächst in einem Hotel und danach in einer möblierten Appartement-Anlage gewohnt.

Daher konnten wir uns bei der Suche nach einem Haus zur Miete also Zeit lassen. So lernen wir John F. Kennedy kennen, einen Angestellten der von uns beauftragten Makleragentur, der uns die Angebote seines Büros zeigen soll. Den Namen John F. Kennedy, so erzählt er später, habe sein Vater ihm aus Verehrung für den amerikanischen Präsidenten verliehen. Es sei in Afrika duchaus üblich, Nachkommen mit den Namen berühmter Persönlichkeiten zu schmücken. Sollte man Ihnen also jemals einen Afrikaner vorstellen z.B. mit dem Namen Helmut Kohl, so können Sie davon ausgehen, daß es sich nicht unbedingt um entfernte Verwandtschaft handelt.

 

Cash or Carry

Mit John F. Kennedy verabreden wir uns also für die Nachmittagsstunden zur Besichtigung einiger Objekte. Unser Fahrer Joseph chauffiert uns.

Die Innenstadt ist um diese Nachmittagszeit völlig verstopft. Der Einfachheit halber geben wir John F. Kennedy daher nach den Terminen etwas Geld fürs Taxi, damit wir ihn nicht selbst zur Agentur nach Downtown zurückfahren müssen.

Die uns gezeigten Häuser weisen jedoch alle den ein oder anderen Mangel auf, so dass die Suche sich zeitlich doch etwas ausdehnt. Eine Reihe von weiteren Terminen kommt hinzu. Des öfteren kommt es dabei jetzt auch vor, daß wir keine Innenbesichtigung vornehmen können, weil der Schlüssel angeblich erst am nächsten Tag verfügbar sei.

Schließlich aber stehen wir und ein strahlender John F. Kennedy doch noch entzückt vor einem schönen Haus mit einem großzügigen Garten. Das könnte es sein. Die Bewohner begegnen uns jedoch außerordentlich feindselig und lassen dabei nicht die geringsten Absichten erkennen, dass sie in der nächsten Zeit hier ausziehen oder überhaupt irgendwann hier verschwinden wollen.

Da fällt bei uns allmählich der Groschen. Das heißt, der Groschen fällt natürlich jetzt in Landeswährung, also umgerechnet in Cent und Shilling: Nicht ein einziges Mal ist John F. Kennedy mit dem Taxi zurück ins Büro gefahren. Sondern er ist immer mit dem Matatu gefahren oder er ist zu Fuß gegangen. Und er hat das Fahrgeld als willkommene Aufbesserung seines Einkommens genutzt. Das ist im Grunde genommen praktisch gesehen und da spielt es dann auch keine Rolle mehr, ob ein Haus zu mieten ist oder nicht, oder dass wir die gesamte Breite des Angebotes seiner Firma schon vor Tagen längst abgegrast hatten.

 

Vertrag ist gut, Vertrauen ist besser

Das Haus von Mr Davinder Singh Bachu, einem indischstämmigen Industriellen, das wir schließlich auf eine Zeitungsannonce hin gemietet haben, kannten wir daher schon von einer fehlgeschlagen Besichtigung mit John F. Kennedy.

Die Unterzeichnung des ellenlangen Mietvertrages verlief trotz meiner anfänglichen Bedenken ohne größere Probleme. Denn schließlich, so versicherte mir der Rechtsanwalt der Familie Bachu mit einem Treuhandblick von wahrlich hypnotisierendem Ausmaß, schließlich seien die schriftlich fixierten Vereinbarungen ja doch nur ein Vertrag, man dürfe das alles nicht so wörtlich nehmen, was da geschrieben stehe. Mit diesem Argument räumte er denn auch meine letzten Zweifel endgültig aus.

Zwar ist dieses Haus eindeutig etwas zu groß für uns gewesen. Doch die Sicherheitslage war so ausgezeichnet, daß wir sogar bereit waren, auch den für Nairobi unüblichen Swimming-Pool billigend in Kauf zu nehmen. Apropos Sicherheit: Fast alle Häuser in Narobi sind mit Fenstervergitterungen ausgestattet. Viele Gebäude haben auch noch innerhalb der Wohnung eine Gittertür, die den Schlafbereich zusätzlich absichern soll. Erst später haben wir erfahren, dass das Haus der Familie Bachu früher doch schon einmal überfallen worden ist. Doch damals gab es kein Wachpersonal und eine Alarmanlage wurde erst nach dem Überfall eingebaut.

 

John Whisky schlägt Alarm

Bei diesem Sicherheitssystem handelt es sich um einen sogenannten "Silent Alarm". Bei Gefahr betätigt man einen Schalter, der sich in jedem Schlafzimmer und in den Fluren des Hauses befindet. Dadurch wird ein Funkgerät auf dem Dach aktiviert, das ein Signal an die Zentrale des beauftragten Sicherheitsunternehmens sendet, in unserem Fall also Securicor. Daraufhin ergeht aus der Zentrale ein Funkspruch an eine der fünfköpfigen Mannschaften, die sich mit ihrem Fahrzeug an zentralen Punkten der Wohnviertel Nairobis in Bereitschaft halten.

Wenn diese Signalkette wie beschrieben abgelaufen ist, quetschen sich also umgehend fünf Wachleute im Kleiderschrankformat in einen winzigen Pick-Up und rasen zu dem vermeintlich bedrohten Haus. Auch diese Wachleute tragen diese schmucken blau-roten Uniformen. Außerdem tragen sie dazu Motorrad- oder Rugby-Helme, Baseballschläger und Holzknüppel aller Art und Größe, sowie Arm- oder Schienbeinschützer aus Metall in diversen Farben. Vor dem Haus angekommen, springen dann alle ganz aufgeregt aus dem Auto heraus, rennen eine Weile ziemlich bedrohlich umher und machen dabei ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.

Angesichts dieses grimmigen Auftretens, das Eindringlingen von vornherein das Fürchten lehren soll, ist mir selbst am Anfang das ein oder andere Mal der Schreck in die Glieder gefahren. Unser Alarm wurde allerdings nie durch einen Einbrecher ausgelöst, sondern in aller Regel durch unsere verehrten Gäste. Wir hatten nämlich die Sicherheit unseres Hauses durch ein zusätzliches elektronisches Alarmsystem mit nachtaktiven Bewegungsmeldern erweitert.

Die Securicor-Zentrale sah die Fehlalarme allerdings sehr gelassen, seien sie doch ein guter Test für die Funktionsfähigkeit des Systems und eine gute Übung für die Bereitschaft der Wachleute.

Da unser erweitertes Alarmsystem jedoch zusätzlich gekoppelt war mit einem Außenalarm im Form eines rotierenden Blinklichtes und einer bemerkenswert lautstarken Sirene, stand wohl jedesmal der halbe Stadtteil senkrecht im Bett und wußte, John Whisky hat wieder Besuch im Haus.

 


 
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